Afternoon Tea: Königliche Mahlzeit zum kaiserlichen Getränk (1)

Das Afternoon Tea wird von immer mehr gehobenen Hotels und Restaurants angeboten. Aus gutem Grund. Entstanden in der britischen Aristokratie des 19. Jahrhunderts und damit mit einer schönen nostalgischen Note versehen, bietet es dem Teegenießer das Beste, was die westliche Teekultur zu geben hat. Wir beginnen mit einer kurzen Einfürhung zur Entstehung.

Von Jürg Meier, Editor


Als Teetrinker wissen wir es schon lange: für Bescheidenheit gibt es keinen Grund. Die chinesischen Kaiser verlangten von ihren Untertanen die allerbesten Tees als Steuer, als Tribut. Diese Tees waren so rar und kostbar, dass die Kaiser diese bisweilen selber zubereiteten, was umgekehrt auch dem europäischen Adel nicht entging. Dieser hatte im 17., 18. und frühen 19. Jahrhundert eh das fast exklusive Recht, Tee zu genießen. Tee war in Europa dermaßen teuer, dass die Kosten für ein Pfund leicht dem Jahresgehalt eines Dieners entsprachen. Entsprechend wurde er in abschließbaren Teekisten verstaut, und es war die Herrschaft persönlich, die ihn zubereitete. Dies nicht zuletzt auch wegen des wertvollen Porzellans - ebenfalls aus China -, in dem er kredenzt wurde. Denn man wollte die perfekte Ästhetik und Eleganz; mit Tee wurde das Schöne zelebriert.

 

Die Kultur des Afternoon Teas entsteht

 

Aus diesem Geiste heraus entstand das Ritual des Afternoon Teas. Dieses wird allgemein Anna Maria, Gemahlin des 7. Herzogs von Bedford, zugeschrieben. In einem Brief an ihren Schwager schrieb sie im Jahre 1841, dass sie "mit Prinz Esterhazy und acht Damen um 5 Uhr abends auf Schloss Windsor Tee trank." Zwar gab es bereits zu Beginn des 19. Jhs. Berichte über gesellschaftliche Zusammenkünfte, bei denen Tee getrunken und Butterbrote verzehrt wurden. Aber man kann Anna Marias Brief durchaus als Startpunkt für die Kultur des Nachmittag-Tees als sozialen Akt bezeichnen, der sich später im Jahrhundert noch zu einer veritablen "Tea-Craze" auf der Insel entwickeln sollte.

Massiv sinkende Teepreise, nicht zuletzt wegen der neuen Anbaugebieten auf dem indischen Subkontinent, erlaubten es ab ca. 1870, dass alle Klassen und Schichten in den Genuss "ihres" Tees und zu ihrer Form der Teatime kamen. Diese hatte in der jeweiligen Form natürlich sehr spezifische Ausprägungen. Ein Überbleibsel aus jener Zeit sind die Begriffe Afternoon-, High- und Low-Tea, die heute oft in fast grotesker Weise falsch verwendet werden. So oder so, jedenfalls entwickelte sich das Vereinigte Königreich in jener Zeit endgültig zur teetrinkenden Nation.

Das Afternoon Tea selbst wurde über die Zeit immer öffentlicher. Während sich Anna Maria noch mehr oder minder versteckt mit ihren Freundinnen im privaten Boudoir traf, so lud Queen Victoria 40 Jahre später bereits zum "Drawing Room Tea" im Buckingham Palace. Zumindest der weibliche Teil der Aristokratie hatte in jener Epoche täglich mindestens einen Teeanlass am Nachmittag zu besuchen oder lud dazu ein. Im ausgehenden 19. und jungen 20. Jahrhundert boten dann auch mehr und mehr vornehme Hotels Afternoon Teas an, welche dabei das Essensangebot kontinuierlich verfeinerten. Denn selbst bei der Queen hatte man noch ganz zufrieden Butterbrote geschmiert.